Blick auf die Stadt
Living Abroad,  Spanien

Die ersten Tage

Es ist so weit – dein Wunsch geht in Erfüllung und du ziehst in ein fremdes Land? Super! Eine spannende Zeit beginnt! Eine Zeit voller Erlebnisse, spannender Erfahrungen, mit Höhen und mit Tiefen. In meinem ersten Beitrag zum Thema Living abroad möchte ich insbesondere auf die ersten Tage abroad eingehen. Denn diese sind aufregend und voller Gefühle.

September 2016 · Nun saß ich hier – Sitz 20F am Fenster und blickte mit Tränen in den Augen auf die verregnete Runway. Sehr emotional war die Abschiedsparty am Vortag. Ein letztes Mal durfte ich meine Freunde sehen, bevor ich das Land verlasse. Wie emotional der Abschied wirklich werden sollte, erfuhr ich erst, als mich nicht nur eine Freundin zum Flughafen fuhr, wo auch mein Papa auf mich wartete, sondern als mich dann dazu noch eine Freundin am Flughafen überraschte und – obwohl sie am Vortag dabei war – auf einmal vor der Security stand und auf mich wartete. Meine Gedanken wanderten ruhelos zwischen „Ich lasse meine Freunde, mein gesamtes soziales Umfeld hier“ und „Eine der geilsten Städte wartet auf mich!“. Für die nächsten Monate sollte es nach Barcelona gehen, wo ich im Sales bei einer weltweit tätigen Agentur für Praktika, Freiwilligenarbeit und Abenteuerreisen arbeiten durfte.

Nach einem emotionalen Flug landete ich schließlich in Spanien und durch den Flughafen in dessen Keller, von wo aus mich eine fahrerlose Metro in die Stadt fahren sollte. Am Plaça Catalunya sollte ich erstmals meine Vermieterin treffen. Dort angekommen kam ich erstmals ans Tageslicht und wurde vom bekanntesten Platz der Stadt begrüßt. Sofort durchströmte mich ein Freudengefühl. Ich bin in einer der geilsten Städte der Welt und werde hier die nächsten Monate verbringen. Glücklich fühlte ich das Leben der Stadt und wartete auf eine Dame, von der ich nicht wusste, wie sie aussah. Eine junge Frau, mit der sich eine Freundschaft entwickeln sollte, die mich sofort in die spanische Mentalität einweihte. 18 Uhr war abgemacht. Ich bin selbst nicht die pünktlichste Person der Welt. Um 18:30 Uhr rief ich erstmals an und sie meinte, sie sei bereits unterwegs. 19:00 Uhr kamen die ersten Zweifel. Ich hatte keinen Mietvertrag (es ist in Spanien nicht üblich, als Expat vom Ausland aus einen Mietvertrag zu unterzeichnen. Alles lief mündlich ab) und stehe seit über einer Stunde mit meinen 23 kg Gepäck neben der Metrostation.

19:30 Uhr kam schließlich eine hübsche junge Frau auf mich zu und stellte sich mir vor. Sie brachte mich dann zu meiner Vermieterin, eine ältere Dame, die mich im Laufe meiner Zeit in die spanischen und katalanischen Traditionen einführte und die kein Wort Englisch oder Deutsch sprach. Kein Problem – genau das wollte ich ja, mein Spanisch verbessern. Dass ich an der Hochschule allerdings nur Wirtschaftsspanisch lernte, mit dem ich im Alltag gar nicht so viel anfangen kann, wurde mir dann bewusst, als ich eine Gabel brauchte und mir dann auffiel, dass ich keine Ahnung hatte, was Gabel – geschweige denn Besteck auf Spanisch heißt. Insgesamt wurde mir in den ersten Tagen bewusst, dass Spanisch in Spanien in Hochgeschwindigkeit gesprochen wird und es so etwas wie Lücken zwischen den Wörtern nicht zu geben scheint. Ich verstand die Spanier nicht und sie hatten nicht die Geduld, sich mein langsames Spanisch anzuhören. Dazu kam, dass die Katalanen häufig katalanische Wörter in ihr Spanisch mischten. Das wird mir inzwischen auch gesagt, dass mein Spanisch sehr katalan angehaucht ist.

Die ersten Tage lebte ich daher in einer Blase. Die Menschen in meinem Viertel (La Sagrera) sprachen nicht mit mir, weil ich zu schlechtes Spanisch sprach (ja, da scheinen Spanier sehr eigen zu sein) und ich verstand die Menschen nicht, weil sie zu schnell sprachen. So verbrachte ich die erste Woche mit Sightseeing. Ich besuchte alles, was ein Besucher in Spanien auch besuchen würde. Plaça Espanya, MNAC, Font Mágica, Les Rambles, Barri Gothic, Parc Güell… Die wahren Schönheiten der Stadt, die geheimen Ecken sollte ich erst später kennenlernen.

Dann kam mein erster Arbeitstag. Ein tolles Team, tolle Räumlichkeiten und eine perfekte Lage in Poble Nou. Gruselig wurde es, als meine Chefin eine Kollegin und mich nach St. Andreu de Besos zur Polizei schickte, wo ich meine Residencia (Genehmigung) bekommen sollte. Das Viertel gehört wahrlich nicht zu den Besten der Stadt. Nachdem wir am ersten Tag zu spät waren, um eine Wartenummer zu bekommen, stellten wir uns am nächsten Tag bereits morgens um halb sechs vor die Türe. Die richtige Entscheidung, wir erhielten gerade noch eine Nummer.

Viel Geduld brachte auch meine Vermieterin mit. Sie sprach nonstop mit mir auf Spanisch, mit ihrem schönen südspanischen Akzent (ja der, wo der Buchstabe S in der Aussprache fehlt), was mir sehr guttat. Nach zwei Wochen, in der ich mich in meiner Blase fühlte, horchte ich auf einmal auf. Hatte die Mutter, die mir gerade entgegenkam, gerade zu ihrem Kind gesagt, es sollte seine Jacke anziehen? Auf Spanisch oder Deutsch? Nein, das war Spanisch. Ich stellte fest, dass ich immer öfter Gespräche einfach verstand, ohne nachdenken zu müssen. Und stellte fest, dass immer mehr Spanier anfingen, mit mir zu sprechen. Auf einmal verpuffte meine Blase und ich konnte mich integrieren. Lernte die Stadt kennen, die Menschen. Stellte fest, dass sich langsam aber sicher mein Kopf umstellte. Ich fing an, auf Spanisch zu denken. Ich lernte die Stadt als Einwohner kennen, konnte Wörter wie Urquinaona flüssig aussprechen, fing an, mich auszukennen, die Orientierung in dieser Stadt zu behalten. In einer Stadt, in der eine Ecke wie die andere aussieht.

aerial view of city buildings during daytime

Nach vier Monaten dann bekam ich die größte Bestätigung, die ich als Expat bekommen konnte. Mein Papa war zu Besuch in der Stadt und wir waren in einem Laden. Er sagte zu mir auf Deutsch: „Ich warte draußen“. Die Verkäuferin schaute mich daraufhin verdutzt an und fragte ungläubig: „¿Por qué hablas Alemán con él? ¿Tú eres Española, no?“ (Warum sprichst du Deutsch mit ihm, du bist Spanierin, oder?) Als ich dies verneinte, meinte sie nochmals „Ich dachte, du bist Spanierin“. Offensichtlich hatte ich mich so integriert und meine Sprache war so gut, dass ich für sie als Spanierin durchging. Das passierte mir daraufhin noch zwei weitere Male, als ich Besuch hatte.

Die ersten Wochen waren für mich eine spannende Zeit, die mir im Kopf geblieben ist. Ich hatte Verständigungsprobleme und unterhielt mich mit Hand und Fuß, wechselte aber nie auf Englisch oder Deutsch, was mir im Nachhinein sehr guttat. Die ersten Wochen hatte ich gemischte Gefühle, fühlte mich so einsam wie nie, war zeitgleich aber glücklich und aufgeregt, in einer der schönsten Städte der Welt leben zu dürfen. Lebte mich in eine neue Arbeitsstelle ein, in der ich auf Englisch, Spanisch und Deutsch kommunizieren durfte, und lernte die Stadt kennen, wie sie vielleicht manch ein:e langjährige:r Einwohner:in nicht kennt. Nach kurzer Zeit war ich eine der glücklichsten Menschen auf dem Planeten. Ich stellte fest, welche Freunde echte Freunde sind und verlor auf der anderen Seite Personen, von denen ich dachte, dass sie Freunde waren. Zweifelte nach einigen Monaten meine Entscheidung an, in die Stadt gezogen zu sein („Was mache ich hier eigentlich?) und wusste wieder, warum es die richtige Entscheidung war, als ich nach einem Deutschland-Besuch zu Weihnachten wieder zurück nach Spanien kam. Eine Entscheidung, die ich nur jedem empfehlen kann, der die Möglichkeit hierzu hat.

In diesem Blog werde ich über viele meiner Erlebnisse in der Stadt berichten. Komme daher gerne wieder zurück und entdecke außerdem weitere spannende Geschichten und Tipps von meinen Reisen und verfolge mein neues Abenteuer!

Me

Leidenschaftliche Weltenbummlerin, immer auf Achse und mit der Sehnsucht nach der Welt im Herzen. Immer positiv und mit einem Lächeln im Gesicht.

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